My One And Only Love

Martial Solal besitzt die unentbehrlichen Eigenschaften des kreativen Handwerks in Hülle und Fülle: Einfühlungsvermögen, Fantasie und eine erstaunliche Technik. Vor allem funkelt er vor Begeisterung." Diese Worte des Lobes schrieb sein "Soul-Bruder" Duke Ellington zu Solals US-Debüt, das 1963 in Newport mit Bill Evans' Rhythmusgruppe Paul Motian am Schlagzeug und Teddy Kotick am Bass aufgenommen wurde. Mehr als ein halbes, spannendes Jahrhundert später bewies der legendäre französische Pianist und Komponist, der mit Werken für Soundtracks, Orchester, Big Bands und seine eigenen Gruppen sowie in Duo-Settings mit allen von Lee Konitz bis Dave Liebman von sich reden machte, inzwischen wieder einmal, warum der Duke ihn so sehr liebte.

Sobald Martial Solal sich im Theater Gütersloh zum Soundcheck ans Klavier setzte, schienen die monatelange Vorbereitungen und Übungen für dieses Solokonzert und die Strapazen der Reise von seinem Wohnort in Chatou bei Paris zu verschwinden. "Zu Hause mache ich nicht einmal Musik, ich übe nur Tonleitern und ähnliches", sagte er, nachdem er erklärt hatte, warum er sich darauf freut, auf einem großen Flügel auf der Bühne zu spielen. "Ich habe zwei Klaviere zu Hause: ich habe jahrelang an einem alten Klavier mit leichtem Tastenanschlag geübt und habe oft gelitten, wenn ich auf Bühneninstrumente mit schwereren Anschlag traf. Dann kaufte ich 1977 einen Kawai-Flügel und bat den Klavierbauer, ihn mit einer schweren Anschlagsdynamik einzustellen, damit ich mich auf allen Arten von Klavieren, zu denen ich eingeladen bin, wohlfühlen kann. Ich habe die Musik immer im Kopf, aber sie kommt nur auf dem richtigen Instrument heraus."

Solal hat es offensichtlich genossen, den hier angebotenen Steinway zu spielen und musste sich fast zwangsläufig davor hüten, nicht schon beim Soundcheck noch mehr großartige Musik freizugeben. Er fragte sich, welches Lied sogar die Kinder, die an diesem Abend das Konzert besuchten, wiedererkennen würden, eine Melodie, die so bekannt war, dass er sie in seine Improvisationen einflechten konnte, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Nach mehreren Vorschlägen wurde diese 90 Jahre alte europäische Jazz-Legende schließlich an "Frère Jacques" erinnert, ein Kinderlied, das Solal gut kennt, aber noch nie zuvor gespielt hatte - zumindest so wie an jenem Abend! Allein die beiden "Sir Jack"-Improvisationen zum Thema dieses Kanons, die in dieser Live-Aufnahme enthalten sind, zeugen von der Sensibilität, Kreativität und erstaunlichen Technik des Pianisten. Und ja, sie und all die anderen Melodien, von denen du dachtest, dass du sie so gut kennst, funkeln ebenfalls vor Lebenslust.